top of page

über kleine & große Boote. Zerrissenheit und Anker legen.

Momentan wunder ich mich oft darüber wie Lebenseinschnitte eigene Werte, Einstellungen und Bedürfnisse verschieben oder gar völlig umstellen. Wie sehr sie uns grundlegend verändern. Und wie oft man dagegen ankämpft.

Ich zum Beispiel, war immer wahnsinnig unbeständig. Freiheitsliebend. Habe es gehasst mich entscheiden zu müssen. Was ich wohl gesagt immer noch tu. Innerhalb von 3 Jahren bin ich vier mal umgezogen und habe sicherlich alle drei Wochen mein Studium hinterfragt. Meinen Job, meinen Kleidungsstil, meine Wohnungseinrichtung, meine Frisur. Was auch immer ich angefangen hatte war nach wenigen Wochen uninteressant. Die geschmiedeten Pläne doch nicht mehr so attraktiv und der Ausblick auf das eventuelle Resultat doch gar nicht so zufriedenstellend wie zuvor.

Wenn ich mich durch ältere Texte lese, kann ich diese Zerrissenheit immer wieder darin finden.


"Irgendwie bin ich nie mit großen Booten gefahren.

Ich bin immer von einem kleinen ins andere gehüpft.

Hab hin und wieder Anker gelegt.

Mal waren sie schwer genug, mal nicht.

Vielleicht hatte ich immer Angst

alles auf eine Karte zu setzen.

Mehrere Schiffe bedeuten verschiedene Wege.

Aber auch Zerrissenheit."


Bis vor einem Jahr wollte ich mich unter keinen Umständen für einen festen Wohnsitz entscheiden, plante ich auf jeden Fall in der Stadt zu bleiben. 'Wie man das so macht', als Student, Mitte 20.

Ich träumte von der perfekten Altbauwohnung, von verschiedenen Praktika in allen coolen Städten dieser Welt. Von vielen Festivals, Freiheit und Unabhängigkeit. Von weiteren WG-Partys und vielleicht auch vom ewigen "Jung sein".

Seit dem Tod meiner Mom möchte ich nur noch eins: Ruhe. Oder auch Beständigkeit. Routine. Stabilität und Verlässlichkeit. Ich fing an von der Vorstadt zu träumen. Von einem Haus im Grünen. Ich begann durch Wohngebiete zu streifen, die ich vor einem Jahr noch als spießig abgetan hätte. Wohngebiete, in denen Rentner und Familien die Oberhand haben. Schrebergärten auf der rechten und Kitas auf der linken Seite. Manchmal erwisch ich mich dabei das Haus der Träume heraus zu picken und bei Google Maps abzuspeichern. Als würde ich selbst schon darin leben.

Manchmal weiß ich nicht, ob mir das Ganze die Leichtigkeit genommen hat oder es vielleicht gar nicht so verkehrt ist sich nach dem "Stillleben" zu sehnen. Ob es ohnehin irgendwann so gekommen wäre und ich nun kurzerhand einfach ein paar Jahre überspringe.

Als wäre man mit einem kleinen Motorboot bei vollem Fahrtwind von einer paradiesischen Insel zur nächsten gefahren und nun tuckert man mit einem brüchigen, alten aber funktionierenden Holzkahn in Richtung Ufer.

Voller Gepäck, das nicht mehr tragbar ist. Auf der ewigen Suche nach Neuem. Gepäck, das man abladen möchte. An einem sicheren Hafen. Um es vielleicht von allen Seiten zu betrachten. Und dann zu schauen, welches man noch mitnehmen möchte. Was tragbar ist. Für die nächste Reise, die kommen wird. Wenn die Zeit reif ist. Und das wird sie. Irgendwann.


bottom of page