"Die ersten zwei Jahren sind auch wirklich schlimm." schrieb mir vor über einem Jahr jemand, der ebenfalls seine Mutter in jungen Jahren verlor. 'Zwei Jahre?' Das hörte sich so wahnsinnig lange an. Und überhaupt - wenn die ersten zwei Jahre wirklich schlimm sind - wie werden dann die folgenden Jahre? Wie lange trauert man und wie intensiv? Wird es von Tag zu Tag besser? Leichter?
Trauer kommt in Wellen, wie man so oft liest und hört. Wie lange weiß ich nicht. Wahrscheinlich immer. Manchmal da glaube ich viele gehen von einem Verfallsdatum der Trauer aus, ohne es bewusst auszusprechen. Vielleicht sogar ohne es wirklich wahrzunehmen.
Ich selbst hätte nicht gedacht, dass die Trauer Fäden spinnt, in denen man sich jeden Moment verfangen könnte. Einen mit einem Schwung den Boden unter den Füßen wegzieht, wie kräftige Wellen auf zuvor ruhig gelegenem Land. Und man denkt irgendwann werden sie doch kleiner. Schwächer. Leiser. Irgendwann würde man sie doch kommen sehen. Doch auch nach über einem Jahr klopft die Trauer nicht leise an der Tür und fragt ob sie herein kommen kann. Sie kommt, wenn sie eben kommen möchte. Die Wellen schlagen über dich ein. Auch an ruhigen Tagen. Teils genau so groß und mächtig wie ganz am Anfang. Alles was sich geändert hat ist man selbst. Das Vertrauen sich mitreißen zu lassen, teils treiben zu lassen - mit der Gewissheit, dass sie seichter werden. Man wieder den Stand finden wird. Wenn auch mit schlottrigen Knien.
Müde und erschöpft. Weil Trauern anstrengend ist. Körperlich und emotional.
Also, wenn man sich fragt wie lange man wohl noch Ausschau halten muss nach der nächsten Welle, dann ist die Antwort wohl, dass sie meist dann kommt, wenn man das Fernglas beiseitelegt. In immer größer werdenden Gezeiten. Mit immer mehr Vertrauen. Ins Trauertreiben. In dich.
